Marcela Joglová: Laufen ist der Weg, der mich erfüllt
Es sollte sich um ein klassisches Interview handeln. Nachdem wir jedoch die Antworten der Profi-Marathonläuferin Marcela Joglová erhalten hatten, die sich momentan in Kenia darauf vorbereitet, das Limit für die Olympischen Spiele in Tokio zu erfüllen, wurde uns klar, dass die Fragen den flüssigen Ablauf des gesamten Interviews eher beeinträchtigen würden. Und so entstand eine inspirative Geschichte darüber, wie aus einem normalen Menschen auch noch im Alter von über 30 Jahren ein Profiläufer werden kann, wie viele Kilometer ein solcher Mensch wöchentlich im Rahmen des Trainings laufen kann oder wie er seine Füße pflegt, um Höchstleistungen zu erbringen.
Über das Karrussel des Lebens vor dem Laufen
Mein Name ist Marcela Joglová. Ich bin eine Frau wie jede andere mit unterschiedlichen Lebensabschnitten auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Der Sport aber war immer ein Bestandteil meines Lebens. In meiner Jugend habe ich fast meine gesamte Freizeit mit Sport verbracht – ob mit Laufen, Basketball, Karate, Fußball oder verschiedenen Spielen mit den anderen Dorfkindern.
Schrittweise hat sich jedoch das Umfeld verändert, ich habe Ferienjobs gehabt, aus denen dann richtige Arbeit wurde, und plötzlich war ich im Ringelspiel des Lebens angekommen. Schule, Ferienjobs, dann noch mehr Ferienjobs pro Tag, ein Minimum an Schlaf... Dann hatte ich noch dazu eine Essstörung, konkret Bulimie, und damit schloss sich dann der Kreis. Und ich wusste nicht, wie ich da wieder herauskommen konnte.
Und das war so, bis ich meinen Freund kennenlernte, der mich lehrte, das Leben aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Er hat mir beigebracht, die Sache etwas lockerer anzugehen und dass ein Nickerchen nach dem Mittagessen keine Sünde ist und dass ich nicht jede Minute des Tages mit etwas füllen muss, und nicht zuletzt hat er mir beigebracht, mich selbst zu mögen und Freude am Leben zu haben. Es hat einige Jahre gedauert, bis mir das alles wurde und ich es akzeptieren konnte, und dann begannen die Dinge zu geschehen...
Wie sich dann alles ergab
Ich habe mir neue Prioritäten gesetzt, und eine der wichtigen war dann, mich um mich und meine Gesundheit zu kümmern und wieder mehr Sport zu betreiben, zu laufen… Und so folgte ein Schritt auf den anderen. Zuerst vergrößerten sich die Distanzen, dann wurden sie immer schneller, in der weiteren Folge habe ich das Training mit hügeligem Gelände etwas abwechslungsreicher gestaltet, ich habe mit der Intensität gespielt, und so hat das Laufen angefangen, mir richtig Spaß zu machen.
Nach einigen Siegen bei den Bergläufen Runczech und der Runtour wurde ein anderes Leben daraus, und nach zwei Jahren bin ich dann zu den Profis gewechselt. Zwar nur zum Teil, aber immerhin. :-)
Im Trainingslager in Kenia
Und so landete ich schließlich hier, in einem zweimonatigen Trainingslager in Kenia, von wo ich direkt zum Rennen nach Hamburg fliege (Marathon Hamburg 18.4.2021), wo ich das Limit für die Olympischen Spiele in Tokio im Marathon erfüllen möchte. Das wäre das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf der Torte. Man kommt hierher, um Ruhe zu finden, die sehr wichtig ist, um sich auf das Rennen konzentrieren zu können. Alle Sorgen und Pflichten und alle störenden Elemente, die es in Europa gibt, werden auch dortbleiben. Hier liegt mein Focus wirklich nur auf dem Laufen, dem Krafttraining, der Regeneration und der erforderlichen positiven Einstellung für das Rennen, einschließlich eines angemessenen Selbstvertrauens.
Ich laufe hier Hunderte Kilometer, aber jede Woche ist es anders. Eine Woche laufe ich 207 Kilometer und die nächste Woche nur 150. Auch ein Wechsel der wöchentlichen Belastung macht Sinn. Wenn ich den Leuten sagte, dass ich 207 Kilometer in der Woche laufe, sind sie erschrocken. Aber ich muss hinzufügen, dass ich wirklich nur wegen des Trainings und der Regeneration hier bin. So gesehen, ist das nicht unmöglich, vor allem wenn man meine Situation mit der von jemandem vergleicht, der 8 Stunden täglich im Büro sitzt. Es stimmt aber, dass es Menschen gibt, die beides schaffen.
Laufen kann viel über jemanden verraten
Laufen ist für mich die Aktivität und der Weg, den ich gewählt habe und der mir Spaß macht und mich erfüllt. Trotz all der Leistungseinbrüche und psychischen Tiefs. Die verbrachte Zeit und die Entwicklung des Weges, auf dem es in eine bestimmte Richtung geht, sind super. Besonders wenn ihnen zum Abschluss ein gutes Ergebnis gelingt, nach dem die verdiente Ruhephase, die Familie folgt. Außerdem ist Laufen eine natürliche Aktivität, die ich überall betreiben kann. Ich fühle mich frei, das sind Momente ganz allein für mich. Es bringt eine gewisse Ordnung in meinen Tag, und ich erfahre vieles über mich, kurz: ich genieße es. :-)
Über die nötige Regeneration
Die Füße werden besonders durch die hohe Kilometerzahl wirklich stark belastet, daher ist die darauffolgende Regeneration besonders wichtig. Vor allem dann, wenn man keine 20 mehr ist. :-)
Ich versuche die Regeneration allgemein nicht zu unterschätzen, ich muss jedoch gestehen, dass konkret meine Fußsohlen, die ich am meisten belaste, mehr Pflege verdienen würden. Ein winziger Igel, mit dem ich durchaus auch beim Kochen oder bei anderen Aktivitäten meine Fußsohlen massieren kann, begleitet mich überallhin. Gleichzeitig trage ich auch sehr oft Fußausrichtungssocken, die ich leider vergessen habe mit nach Kenia zu nehmen. Wahr ist aber, dass es meinen Fußsohlen guttut, wenn ich beispielsweise nach dem Training Fußausrichtungssocken anziehe und die Beine gegen die Wand hochstrecke. Eigentlich ersetzt das die Rehabilitationsübungen für Fußsohlen, die ich manchmal vernachlässige.
Marcela Joglová während der Regeneration im letztjährigen Camp in Livigno
Neben der Pflege meiner Fußsohlen absolviere ich regelmäßig Massagen. Ich verwende lymphatische Hosen, Kompressionskleidung oder einen Roller. Wenn es die Umstände erlauben, laufe ich barfuß auf eine Wiese aus, manchmal bade ich auch nur meine Fußsohlen abwechselnd in kaltem und warmem Wasser, oder ich tauche die Füße nach einem sehr schweren Training sofort in eiskaltes Wasser. Natürlich alles den jeweiligen Möglichkeiten und dem Wetter entsprechend.
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Wir danken Marcela für ihre Geschichte und für die inspirativen Regenerationstipps nach einer Belastung. Gleichzeitig wünschen wir ihr, dass es ihr gelingt, nicht nur das Limit für die Olympischen Spiele in Tokio zu erfüllen, sondern dass sie auch weiterhin mit ihrem Leben zufrieden ist. Wir drücken die Daumen!